Traumapädagogische Haltung

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Welche Aspekte umfassen die traumapädagogische Haltung?

Was ist ein (psychisches) Trauma?
Der Begriff „Trauma“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Verletzung“.
Unter einem psychischen Trauma versteht man eine seelische Verletzung oder eine starke psychische Erschütterung, die durch ein extrem belastendes Ereignis hervorgerufen wird.
Solche Ereignisse können extremen Stress und Gefühle der Hilflosigkeit und des Entsetzens auslösen. Dies kann der Fall sein, wenn jemand selbst von dem Ereignis betroffen ist oder wenn er – etwa als Augenzeuge – miterlebt, wie andere Opfer dieses Ereignisses werden.
(Quelle: https://www.therapie.de/psyche/info/index/diagnose/trauma/definition-trauma/)

„Ich heiße Miquel und bin sehr verzweifelt, wie ich die aktuellen Probleme mit der Mutter meiner Tochter schaffen soll. Ich habe sie in einer psychosomatischen Klinik kennengelernt. Ich selbst leide an PTBS und Monique an Angststörungen. Wir sind schon seit der Schwangerschaft in einem starken Konflikt miteinander.“

In dieser Woche besuchte ich eine sehr interessante und essentielle Fortbildung zum Thema „Traumapädagogisches Arbeiten mit Familiensystemen“. Im Schwerpunkt waren hier Pädagog*innen angesprochen, die als SPFH in Familien tätig sind. Es wurden im Allgemeinen die Grundlagen der Traumapädagogik vertieft und die Notwendigkeit nahe gebracht, in der eigenen beruflichen Tätigkeit, Familien mit einem traumasensiblen Blick zu begegnen. Trauma begegnet allen Pädagog*innen in allen sozialen Arbeitsfeldern und nimmt einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Zusammenarbeit mit den Müttern, Vätern und Kindern sowie Großeltern usw. .

Eine der großen Aufgaben als Pädagog*in in der traumasensiblen Arbeit ist zunächst die Entwicklung einer traumapädagogischen Haltung.  Diese stellt die Basis dar, um überhaupt mit diesen Klienten positiv in Kontakt zu treten und um ihnen weiterführend die benötigte Begleitung zu ermöglichen.

Die folgenden Punkte der „traumapädagogischen Haltung“ stammen vom Zentrum für Traumapädagogik in Hanau (www.traumapädagogik-ztp.de).

  1. Die Verhaltensweisen der Mädchen und Jungen sind normale Reaktionen auf eine extreme Stressbelastung.
  2. Sie haben für ihre Vorannahmen, Reaktionen und Verhaltensweisen einen guten Grund.
  3. Sie haben in ihrem Leben bislang viel überstanden und geleistet.
  4. Wir unterstützen sie bei der Akzeptanz ihrer Wunden, Beeinträchtigungen und Schwierigkeiten.
  5. Wir stellen unser Fachwissen zur Verfügung (Profi), sie sind die Experten für ihr Leben.

Mir kommen die meisten Punkte dieser Haltung aus der systemischen Haltung und aus der beziehungs-/ bedürfnisorientierten Begleitung von Kindern sehr bekannt vor. Mit diesen beschäftige ich mich schon ca. drei Jahre und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es ein täglicher Prozess ist, diese Haltung vom theoretischen Verstehen in die eigenen Gefühle, Gedanken und ins eigene Handeln zu integrieren. Denn erst wenn sie dort angekommen ist, beginnt sich unsere Sicht auf andere Menschen zu verändern. Im Prozess bemerke ich, dass es mir an einigen Tagen leichter fällt, Menschen mit dieser Haltung zu begegnen. Dies hängt eng von meiner eigenen psychischen Balance ab. Darüber hinaus kann ich einigen Menschen leichter auf dieser Grundlage begegnen, anderen super  schwer…
Die „Annahme des guten Grundes“ fällt mir zum Beispiel bei Kindern wesentlich leichter als bei Erwachsenen oder auch bei mir selbst.  Die Tatsache, auch sich selbst und die eigenen Verhaltensweisen mit einer traumapädagogischen Haltung zu betrachten und anzunehmen, stellt sich für mich sogar als besonders schwieriger dar.

Die Referenten der Fortbildung betonten immer wieder, dass die traumapädagogische Haltung in der Zusammenarbeit mit allen Familien wesentlich ist und aus ihrer Sicht die einzig richtige. 

Traumabelastete Menschen benötigen von Pädagog*innen von allem jedoch noch ein wenig mehr und noch mehr Feinfühligkeit.
Die Punkte 1, 2 und 5 der oben aufgeführten traumapädagogischen Haltung sind für mich die Basis des Miteinanders.
Der 3. Aspekt beschreibt, dass in der Zusammenarbeit und insbesondere im Kontaktaufbau mit traumabelasteten Menschen wichtig ist, ihren Weg anzuerkennen und das bisher erlebte mit Achtung und Respekt zu begegnen. In diesen Menschen stecken unglaubliche Ressourcen, die ihnen ermöglicht haben, bis hier anzukommen. In den meisten Fällen haben sie sich selbst noch nie positiv betrachtet und tragen stattdessen ein Selbstverständnis von Schuld und Scham.
Der 4. Aspekt zeigt das Ziel der pädagogischen Begleitung auf.

Da die Therapieplätze in einer Psychotherapie sowohl für Erwachsene, als auch für Kinder und Jugendliche sehr rar sind und nur ganz selten zeitnah von Betroffenen aufgesucht werden können, ist zu vermuten, dass traumabelastete Menschen häufig in pädagogischen Unterstützersystemen auftauchen.

Das Angebot meines Arbeitsfeldes der Trennungs- und Scheidungsberatung erreicht nach meinen Erfahrungen die komplette Vielfalt der Mütter und Väter. Aus der Fortbildung schließe ich, dass traumabelastete Mütter und Väter, die durch die Trennung ausgelöste Krise weniger gut bewältigt können und somit starke Konflikte vermehrt auftreten.  Der Bedarf an Begleitung ist gesteigert.

Darüber hinaus ist für meine Tätigkeit wichtig zu wissen, dass abrupte und unerklärliche Trennungen zu einer Beziehungsperson eine traumatische Wirkung haben können. Insbesondere, wenn Trennungsprozesse von Eltern mit vielen Streitigkeiten und Verletzungen einhergehen. Der Kontaktabbruch zu meist einem Elternteil kann dabei unerwartet und ohne Einbezug der Gefühle, Bedürfnisse und Sichtweisen der Kinder stattfinden. Dies kann bei ihnen ein starkes Gefühl der Ohnmacht und extremen Stress auslösen. Insbesondere wenn eine weitere Beziehungsperson emotional nicht verfügbar ist und ausgleichend wirkt, ist eine traumatisierende Wirkung möglich.

Abschließend ist zu sagen, dass ich in meinem Berufsalltag regelmäßig mit bewusst oder unbewusst von Trauma betroffenen Menschen zusammenarbeite und darüber hinaus Prozesse begleite, die traumatisierend auf Kinder und Jugendliche wirken können. Unter Betrachtung dieser Erkenntnis ist zum einen das Wissen über Traumapädagogik unerlässlich und zum anderen die traumapädagogische Haltung absolut notwendig.

Ich kann mich täglich darin üben und mich selbst weiterentwickeln!